Sonderkreistag 18. April 2023: Geplante Asylbewerberunterkünfte in Hirschfelde und Boxberg

Nachdem die Afd am 28. März 2023 einen Sonderkreistag bezüglich der geplanten Asylbewerberunterkünfte in Hirschfelde und Boxberg beantragt hatte, fand dieser nun am 18. April 2023 statt.

Nach den Ereignissen im Zittauer Rathaus wurde ein angespannte Atmosphäre erwartet, zwei Kundgebungen waren direkt vor dem Beruflichen Schulungszentrum in Görlitz, in welchem der Kreistag tagt, angemeldet. Polizeibeamte wie auch ein privater
Sicherheitsdienst sorgten für eine geordnete Durchführung der Sitzung, trotz der Brisanz des Themas.

Nachdem mehrere Sachvorträge zur Thematik gehalten wurden, wurde der Antrag der AfD, der Antrag von
Bündnisgrüne/SPD/KJiK und der Antrag der Verwaltung vorgestellt.

Erwartungsgemäß forderte die AfD, dass festgestellt werden solle, „dass beide geplanten Standorte, Hirschfelde und Boxberg, vollkommen ungeeignet für die Unterbringung von Asylbewerbern sind“. Nach deren Ansicht, können im Landkreis auch generell keine weiteren Asylsuchenden untergebracht werden.

Darauf ging Jens Hentschel-Thöricht für unsere Fraktion wie folgt ein:

Sehr geehrte Damen und Herren,

es gibt eine „“Scheinalternative“ für Deutschland“ die in ihrem Grundsatzprogramm folgendes stehen hat:

Die Alternative für Deutschland bekennt sich zur deutschen Leitkultur, die sich im Wesentlichen aus drei Quellen speist: erstens der religiösen Überlieferung des Christentums, zweitens der wissenschaftlich-humanistischen Tradition, deren antike Wurzeln in
Renaissance und Aufklärung erneuert wurden, und drittens dem römischen Recht, auf dem unser Rechtsstaat fußt.

Christentum, Humanismus und römisches Recht – spannend wenn wir uns den Grund der Einberufung dieses Sonderkreistages
anschauen. Oder mit Blick auf das kommende Jahr eben auch nur Wahlkampf.

Lassen Sie mich darauf eingehen:

»Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten, und du sollst ihn lieben: Er ist wie du; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen.«

Oder anders

 Die Flüchtlinge sind keine Zahlen, sidn sind Personen: Sie sind Gesichter, Namen, Geschichten und als soclhe müssen sie
behandelt werden. (Papst Franziskus 16.04.2016)

Schon im ersten Buch der Bibel – im Schöpfungsbericht – heißt es: Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen (…) Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau. Wegen dieses
Schöpfungsaktes und der Gottesebenbildlichkeit besitzt jeder Mensch gleich welcher Rasse, Hautfarbe, Nationalität, Herkunft oder Geschlecht eine von Gott gegebene Würde. Damit ist einem Rassedünkel, Fremdenfeindlichkeit und einer Ideologie der Ungleichwertigkeit von vornherein jede Grundlage entzogen.

Ich träume von einem Europa, von dem man nicht sagen kann, dass sein Einsatz für Menschenrechte an letzter Stelle seiner Visionen stand. (Papst Franziskus 06.05.2016)

Menschenwürde und Menschenrechte

Der Begriff der Menschenwürde, der heute in kirchlichen Verlautbarungen zu Flucht und Migration als zentrale normative
Orientierung für das christliche Handeln angeführt wird, findet sich demgegenüber weder im Alten noch im Neuen Testament.
Letztlich handelt es sich hier aber in einem christlichen Verständnis um nichts anderes als um eine moderne Übersetzung der
Bild-Metapher.


Geprägt wurden Begriff und Verständnis der Menschenwürde in der europäischen Aufklärung, insbesondere von Immanuel Kant. Es ist ein Ausdruck dafür, dass jedem Menschen eine Achtung, Bedeutung und Wertschätzung zukommt, die nicht wie der Wert einer Sache steigen oder sinken kann oder sich aus seinem Nutzen für jemanden oder etwas ergibt. Jeder Mensch besitzt diese Würde einfach aufgrund seines Mensch-Seins – er kann sie nicht verlieren, sie kann ihm nicht genommen werden und alle Menschen,
unabhängig von ihrer sozialen Situation, ihrem kulturellem oder religiösen Kontext sind in dieser Hinsicht gleich bedeutsam –
ebenso wie bei der biblischen Rede von der Gottebenbildlichkeit. Und ebenso wie bei dieser ergibt sich daraus eine Verpflichtung zur Solidarität mit allen Menschen. Eine Verpflichtung, die auch die Forderung von Toleranz gegenüber anderen beinhaltet, die ihre Grenze allerdings in der Intoleranz haben muss – Toleranz gegenüber Intoleranz würde immer in Gefahr laufen, die
zugrundeliegende Vorstellung von der würdemäßigen Gleichheit aller zu unterlaufen.

Pointiert wird daher auch in Art. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte die Menschenwürde definiert: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.“

Die dann folgenden Menschenrechte bilden so etwas wie eine Konkretisierung der Menschenwürde, eine Klärung, welche Ansprüche den Menschen aus der Menschenwürde entstehen. Ein Zusammenhang, der auch im deutschen Grundgesetz deutlich wird (Art. 1):

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder
menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

Auch wenn das Bundesverfassungsgericht 1996 festgestellt hat, dass sich aus der Verletzlichkeit der Menschenwürde kein
Asylgrundrecht
folgern lässt, sind Christen und alle Bürger Deutschlands dennoch doppelt aufgefordert, die Würde und die
Menschenrechte von Flüchtlingen zu achten, sie in der öffentlichen und politischen Diskussion einzufordern, sie in den Gemeinden und Verbänden konkret werden zu lassen und darüber hinaus zu verdeutlichen, dass sich aus einer christlichen Perspektiven hier
Anforderungen an Gesetzgeber und Zivilgesellschaft ergeben, die über das hinausgehen, was nach Auffassung des
Bundesverfassungsgerichts grundgesetzlich geregelt ist.

Wenn Papst Franziskus die Kirche und die Christen immer wieder auffordert, „an die Ränder“ zu gehen, dann ist damit genau das gemeint: Den Menschen als Abbild Gottes gerade im bedrängten und bedürftigen Anderen zu erkennen und den biblisch
überlieferten Freiheitswillen Gottes im Hier und Jetzt wirksam werden zu lassen.

Solidarität und Verantwortung

Hinzu kommt ein weiteres: Das Drängen vieler Flüchtlinge nach einer neuen Heimat in Europa ist kein Naturereignis, sondern,
zumindest zum Teil, vom globalen Westen verursacht – durch (post)koloniale Ausbeutung und Interessenpolitik, durch
problematische Welthandelsstrukturen und gedankenloses Konsumverhalten, durch Klimaveränderungen, die hauptsächlich von den Emissionen der früh industrialisierten Länder verursacht nun insbesondere die Länder des Südens treffen. Nicht nur mitmenschliche Solidarität sollte also unsere Begegnung mit den Flüchtlingen leiten, sondern auch das Bewusstsein für unsere (Mit-)Verantwortung für die Zustände in ihrer alten Heimat, die sie zu Aufbruch und Flucht drängten.

 Das bis hierher Gesagte geht weit über die Verantwortung und die Handlungsmöglichkeiten in unserem Landkreis hinaus. Darum stehen im vorliegenden Antrag, den wir als LINKE mittragen, auch zurecht Forderungen an Verantwortungsträger des Landes und des Bundes.

Die Bürgerinnen erwarten aber vor allem Begründungen dafür, was wir tun wollen.

Menschen mit Problemen machen Probleme! Und Geflüchtete sind vor Problemen geflohen und die Flucht war oft mit existentiellen Problemen verbunden.

Einige helfen wir mit der Befriedigung grundlegender Bedürfnisse, ein Dach über dem Kopf, Essen usw. Gleichzeitig ergeben sich neue Probleme, sich in der neuen Situation zu orientieren, mit vielen Ungewissheiten umzugehen. Die Aufzählung bliebe immer
unvollständig.

Aber ganz sicher ist es im Interesse aller Menschen hier, Probleme zu lösen, zu helfen, statt neue Probleme auszulösen.

 

Aus diesem Grund kurz und knapp:

Nein zu Sammellagern, Ja zur dezentralen Unterbringung!

Nein zu einer Pogromstimmung, Ja zu Sicherheitskonzepten für die Bürger des Landkreises wie auch den Asylsuchen!

Nein zu „Lagerkoller“ in den Gemeinschaftsunterkünften, Ja zur sozialen Betreuung.

Ja zu einer transparenten Informationspolitik seitens des Landkreises und der Bürgermeister gegenüber der Bevölkerung.

 

Abschließend sehr geehrte Damen und Herren, übergebe ich hiermit erneut der Landkreisverwaltung, den Fraktionen wie auch den interessierten Bürgern das „KONZEPT zur Förderung der Integration von Geflüchteten / Asylsuchenden / Migrant*innen im Landkreis Görlitz“, welches unsere Fraktion bereits im Jahr 2016 erarbeitet und vorgelegt hat.

In der weiteren Diskussion äußerte sich Katrin Cordts zum Antrag von Bündnisgrüne/SPD/KJiK. Ein Antrag, der unterstützenswert ist, der gute Ansätze beinhaltet. Allerdings haben die Menschen ein Recht auf Antworten und klare Äußerungen. Daher können wir als LINKE es nicht verstehen, warum der Antrag – wie auch der Antrag der Verwaltung – in die Ausschüsse zur weiteren Beratung verwiesen werden soll.

Der Antrag der AfD wurde durch DIE LINKE klar abgelehnt und fand keine Mehrheit – gut so. Bei der Verweisung der weiteren Anträge haben wir uns enthalten.

 

Gemeinsam mit Ihnen für Sie und unseren Landkreis.

Gern Sie wir für Ihre Anliegen da, sprechen Sie uns an, schreiben Sie uns.

DIE LINKE im Kreistag Görlitz – Ihre soziale Alternative!

www.dielinke-kreistagsfraktion-goerlitz.de