Positionierung des Kreistages Görlitz für eine Reform der Pflegekostenfinanzierung

Eingereicht am 15.06.2022, behandelt am 05.10.2022 als gemeinsamen Antrag aller Fraktionen

Präambel:

Der Landkreis Görlitz und seine Bewohner sind aufgrund sozialstruktureller und demografischer Rahmenbedingungen und einer historisch gewachsenen hohen Dichte von Pflegeeinrichtungen noch stärker als manche anderen Landkreise oder kreisfreien Städte mit der Herausforderung stetig steigender Pflegekosten konfrontiert.

Dabei ist es im Sinne einer qualitativ und quantitativ gesicherten und angemessenen Pflege unausweichlich, dass sich Personalkosten und weitere Betriebskosten stetig erhöhen werden. Dies gilt insbesondere auch für die Energiekosten. Die Mitglieder des Kreistages bekennen sich ausdrücklich zu ihrer Verpflichtung, unsere pflegebedürftigen Mitbürgerinnen und Mitbürger bestmöglich im Sinne kommunaler Daseinsvorsorge zu unterstützen.

Was die nach den Prinzipien der Subsidiarität und der Solidarität zu leistenden Eigenanteile der Pflegebedürftigen und des Landkreises angeht, stellen wir in großer Sorge eine wachsende finanzielle Überforderung fest. Die finanzielle Überforderung des Landkreises lässt sich nicht auf seine angehörigen Städte und Gemeinden abwälzen. Eine höhere finanzielle Inanspruchnahme der Pflegebedürftigen erscheint uns in der absoluten Breite als unzumutbar.

Nach dem Subsidiaritätsprinzip folgt daraus eine Übernahmeverpflichtung der übergeordneten Ebenen unseres Staates, also durch Land und Bund.

Beschlussvorschlag:

Der Kreistag Görlitz unterstützt Initiativen, die das Ziel haben, die ungleiche finanzielle Kostenverteilung zu Lasten
Pflegebedürftiger sowie der Kommunen zu stoppen.

Der Kreistag beauftragt den Landrat, auf geeigneten Wegen für eine Reform der Finanzierung der Pflegekosten einzutreten, die
dazu dient, weitere Belastungen für die Pflegebedürftigen und die kommunale Ebene zu begrenzen,  und deren Anteile an der
Gesamtfinanzierung zu senken. Die Mitglieder des Kreistages verpflichten sich, nach ihren Möglichkeiten und mit ihren Ressourcen den Landrat dabei zu unterstützen.

Der Kreistag beauftragt den Landrat, dass Pflegehilfssystem über die Pflegekoordinatorin transparenter und bekannter zu
machen.

Begründung:

Steigende Eigenanteile in der stationären Pflege überschreiten die Belastungsgrenzen der Bewohnerinnen und Bewohner  – auch in den Pflegeeinrichtungen des Landkreises Görlitz steigen die Kosten. Aufgrund der neuen Pflegestärkungsgesetze und insbesondere durch das Bekenntnis zu einer besseren Personalausstattung und angemessener Bezahlung der Pflegenden sind die Kosten in den stationären Pflegeeinrichtungen in den vergangenen Monaten zum Teil erheblich gestiegen.

Ab dem 01.01.2022 gibt es aufgrund des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) eine finanzielle Entlastung bei Langzeitpflege im Pflegeheim:

Mit dem GVWG wird es aber ab 2022 einen weiteren Zuschlag geben: Pflegebedürftige mit Pflegegrad 2 bis 5 erhalten ab Beginn der vollstationären Versorgung einen Leistungszuschlag in Höhe von 5 Prozent des zu zahlenden Eigenanteils.
Für Heimbewohner:innen mit Pflegegrad 25 beträgt der Leistungszuschlag

    5% des Eigenanteils an den Pflegekosten innerhalb des ersten Jahres

    25% des Eigenanteils an den Pflegekosten wenn sie mehr als 12 Monate,

    45% des Eigenanteils an den Pflegekosten wenn sie mehr als 24 Monate und

    70% des Eigenanteils an den Pflegekosten wenn sie mehr als 36 Monate in einem Pflegeheim leben.

Diese Entlastung wird jedoch durch den ab 1. September 2022 verbindlichen Tariflohn und die damit verbundenen weiteren Kostensteigerungen aufgezehrt.

Da die Pflegekassen durch die gesetzlich festgeschriebenen Leistungsbeiträge vor steigenden Kosten geschützt sind, werden die sich dynamisch entwickelnden Kosten derzeit ausschließlich mit der Erhöhung der Eigenanteile der Bewohnerinnen und Bewohner aufgefangen. Diese Entwicklung überschreitet die finanziellen Belastungsgrenzen von immer mehr Pflegebedürftigen und zwingt möglicherweise dazu, Leistungen der Sozialhilfe zu beantragen, was zu weiteren Belastungen der kommunalen Haushalte führt.

Diese Entwicklung ist nicht länger hinnehmbar. § 8 Absatz 1 des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI) benennt die pflegerische Versorgung der Bevölkerung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Diese Maßgabe muss durch gesetzliche Anpassungen im Pflegeversicherungsgesetz Rechnung getragen werden. Veränderte Bedingungen in den stationären Pflegeeinrichtungen sind mit dem derzeitigen, veralteten Finanzierungssystem nicht mehr zu kompensieren.

Ergebnis:

Der Antrag wurde in der Sitzung des Kreistages am 05.10.2022 einstimmig angenommen.